„Keine Zeit für Schlagschüsse“
Sieben neue Gesichter zählen die Bundesliga-Herren diese Saison. Zum Abschluss unserer Interview-Serie über die Hauptstadt-Neulinge nahmen wir Tassio Suter ins Verhör. Der 22-jährige ist angehender Jurist und entsprechend diplomatisch geschickt: Das zeigt sich schon in seinen ausgewogenen Antworten. Auf dem Feld kennt der Schweizer dagegen keine Diplomatie: Mit seinen offensiven Fähigkeiten ist Suter eine der wichtigsten Stützen des Teams.
In nur zwei Spielen hat sich der Flügel, der letzte Saison noch höchste Schweizer Liga spielte, zum unbestrittenen Leistungsträger der Mannschaft entwickelt, sammelte bereits acht Punkte (5+3). Seine Zeit bei BAT wird aller Wahrscheinlichkeit nur ein recht kurzes Intermezzo werden, doch in diesen Monaten will Suter dem Team helfen, „eine gute Ausgangslage für die kommende Post-Season zu schaffen“.
BATberlin.de: Grüezi Tassio, stelle Dich doch bitte erstmal vor!
Tassio Suter: Ja hoi, ich bin Tassio, 22 Jahre alt und komme aus Oberrieden. Das ist ein kleiner Vorort von Zürich.
Was hat Dich nach Berlin verschlagen?
Ich studiere Jura in der Schweiz und wollte unbedingt einmal ein Auslandsemester mit dem Erasmus-Programm absolvieren, solange sich dazu noch die Möglichkeit bot. Für Berlin habe ich mich letzten Endes entschieden, weil ich die Sprache schon beherrschte und mir dadurch erhofft hatte, mehr in Kontakt mit Einheimischen zu kommen. Ich hatte einfach das Gefühl, dass man sonst in eine Enklave mit anderen Erasmus-Leuten gerät, in der man das Lebensgefühl einer Stadt und die Mentalität der Menschen nicht richtig aufnehmen kann. Natürlich hat aber auch die kulturelle Vielfalt und nicht zuletzt die Möglichkeit, weiterhin Floorball spielen zu können, das Seinige dazu beigetragen.
Du wohnst in einer recht ungewöhnlichen WG in Prenzlauer Berg. Erklär mal die Vorzüge Deiner Mittvierziger-Mitbewohnerinnen!
(Lacht) Also, ich kenne das Alter meiner Mitbewohnerinnen nicht, aber ich denke doch, dass sie jünger sind. Dass sie aber schon aus einem gewissen Alter raus sind, hat bestimmt seine Vorteile. Zum Beispiel brauche ich mich wohl nicht zu fürchten, eines Abends vom Training nach Hause zu kommen und mein Bett schon besetzt vorzufinden, weil in der Wohnung eine wilde Party läuft. (schmunzelt) Aber jetzt im Ernst: Ich bin einfach nicht der WG-Typ und habe sehr gerne meine Ruhe zuhause. Und dass die beiden sehr häufig weg sind, kommt mir da sicher entgegen.
„Aus Zug nach Berlin. Das war spielerisch schon wie Tag und Nacht.“
Wie groß war für Dich der Kulturschock, von einem (Ex-)SML-Team wie Zug United nach Berlin zu kommen?
Das war schon ziemlich wie Tag und Nacht. Hinzu kam noch, dass die erste Mannschaft hier ferienbedingt kein Training hatte in der Woche, in der ich ankam. Da ging ich mit Timo Krohne in ein Training der zweiten Mannschaft, und dann war der Klassenunterschied schon heftig. Nur schon bei den Umständen, die ich in der Halle an der Mussehlstraße antraf. In der Schweiz reklamieren ständig alle, im Floorballsport sei zu wenig Geld vorhanden. Damit werde ich wohl aufhören müssen nach meiner Rückkehr. (lacht)
Wenn Du Wiler-Ersigen, den Schweizer Meister gegen den Dein Team letztes Jahr zweimal antrat, mit Mannschaften wie Chemnitz oder Dresden vergleichst: In welchen Belangen und warum ist Wiler so viel besser?
Ich bin mir nicht mal sicher, ob man das überhaupt vergleichen kann. Das sind wirklich zwei völlig verschiedene Welten. Insbesondere wenn man noch zwei eher tiefer einzustufende Vertreter aus der Bundesliga nimmt. Das beginnt schon mit dem Stellenwert von Floorball in der Gesellschaft. Und hinzu kommt halt dann die ganze Tradition sowie die Struktur und der Aufbau eines solchen europäischen Topteams wie Wiler. Von einer solchen Auswahl aus der Juniorenabteilung oder der Anziehungskraft, auch für etabliertere Spieler der Konkurrenz, können schon in der Schweiz fast alle Clubs nur träumen. Ganz zu schweigen von den finanziellen Mitteln. Aber die Ansprüche sind hier auch noch ganz anders gestellt. Floorball als Sport steht an einem anderen Punkt in der Entwicklung. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Auch für Chemnitz oder Dresden.
„In Deutschland musst du über lustige Zufälle auf diese Randsport stoßen.“
Wie und wann bist Du eigentlich zum Floorball gekommen?
Begonnen habe ich wie viele zuerst mit Eishockey. Mit fünf kurvte ich schon für den ZSC rum. Als ich dann aber etwa 10 oder 11 war, musste ich auf etwas anderes umsteigen, weil der Zeitaufwand und die Belastung für meine Eltern zu groß wurde. Die mussten mich ja überall hinfahren und immer in den kalten Eishallen rumsitzen. Als Ballverliebter kam ich aber nie vom Hockeysport los und so hab ich dann vor circa 12 Jahren mit Floorball begonnen. Das ist ja in der Schweiz nicht etwas Besonderes wie hier in Deutschland, wo man irgendwie über lustige Zufälle auf diese Randsportart stossen muss.
Du bist in der Schweiz für Deinen Schuss aufgezogen worden. Ist der wirklich so schlecht und wo liegen ansonsten Deine Stärken und Schwächen?
(Lacht) Das stimmt, und die haben ja auch recht. Ich habe wohl einen der schwächsten Schlagschüsse in meinem Team! Als Stürmer hat man aber ohnehin so gut wie nie die Zeit dafür. Und auch ich habe ihn, soweit ich mich erinnern kann, noch nie in meiner Karriere einsetzen müssen. Wirklich schlecht ist aber meine Passqualität, dafür werde ich auch zu recht noch viel mehr von meinen Mitspielern aufgezogen. Oder gleich vom Trainer zusammengestaucht. Daran muss ich sicher noch viel arbeiten. Meine Handgelenk- oder gezogenen Schüsse sind dafür meistens gut platziert. Sonst glaube ich, dass ich das Spiel gut lesen kann und dann einen öffnenden Pass finde oder am richtigen Ort zum Einschiessen stehe. So kommt schon der eine oder andere Punkt zusammen. (schmunzelt)
Wie lange wirst Du BAT erhalten bleiben und was sind Deine Ziele mit dem Team?
Sehr wahrscheinlich muss ich das Team leider schon zum Ende des Jahres wieder verlassen und kann die Saison hier nicht zu Ende spielen. Zwar bin ich noch mindestens bis im Februar hier, aber die Transferregelung (das Fenster schließt am 31. Dezember, Anm. d. Red.) lässt mir da keinen Spielraum. Und da ich vertraglich immer noch an Zug United gebunden bin, werde ich die restliche Saison und die Playoffs vermutlich wieder in der Schweiz bestreiten. In meiner Zeit hier versuche ich, das Team natürlich zu unterstützen wo ich nur kann, und dabei zu helfen, eine gute Ausgangslage für die kommende Post-Season zu schaffen.
Fotos: Nach dem Training (o., by Tom Nebe); durchsetzungsstark im ersten Spiel für BAT gegen Dresden (mi., by unihockey-dresden.de).